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Theatertipp - Die Gebärmutter im Theater Brett

Theatertipp - Die Gebärmutter im Theater Brett

Die Gebärmutter ©Theater Brett

Die Gebärmutter ©Theater Brett

Je komplexer ein Sachverhalt ist, desto eher sollte man auf sein Bauchgefühl hören, heißt es.

"Doch was tun, wenn das Bauchgefühl Menschengestalt annimmt?", fragt sich auch Wiktoria (verkörpert von Samantha Steppan) als plötzlich ihre rosa-verschrumpelte Gebärmutter (großartig gespielt von Nika Brettschneider) vor der Tür steht und plaudern will. "Woher kommst du eigentlich?", will sie wissen, und Wiktoria erzählt widerwillig ihre Geschichte, in der lebendige Tote allwissenden Geschlechtsorganen die Klinke in die Hand geben und surreale Gespräche die traurige Realität erträglicher machen.

Verurteilt, frei zu sein

Samantha Steppan gibt als Wiktoria authentisch die Vergangenheit ihrer Gebär-Mutter zum Besten und sucht in ihrem Schwangerschafts-Kummer schließlich bei ihrer Großmutter Rat: Hier bündeln sich die Geschichten dreier Frauen, verbunden durch die Nabelschnur, die sich wie ein roter Faden durch den Abend zieht. Geprägt vom Leid der nationalsozialistischen Gräuel und dem Ausnahmezustand während des Kommunismus in Polen, wird in den neun Monaten einer Schwangerschaft die Familiengeschichte bis hin zur Suche nach der eigenen Identität aufgearbeitet.

Polen, heute:

In einem Land, das mit seiner neugewonnenen Freiheit und deren Möglichkeiten überfordert scheint, versucht sich die Hauptdarstellerin von den erdrückenden Konventionen der Gesellschaft zu befreien, die sie in Gestalt ihrer Eltern (köstlich: Ludvik Kavin) zur Verzweiflung bringen.

Halt findet Wiktoria bei ihrer Freundin Justina, die mit ihrer anbiedernden Art (überzeugend gespielt von Anna Nowak) für Wiktoria bald mehr ist als das. Doch als Wiktoria gesteht, dass Justinas feuerrotes Haar ihr Herz in Flammen aufgehen lässt, platzt ihre Fruchtblase und das Baby vor Wut, als es nach der Entbindung fast schadenfroh verkündet, sich andere Eltern zu suchen.

"So stolz und doch ein Mensch"

Es folgt eine Zukunftsvision, die untermalt von Andreas Zemanns Licht- und Tonkünsten den Höhepunkt des Abends darstellt, wenn die junge Wiktoria der gealterten Mutter ihres Sohnes die Hand reicht und symbolisch Frieden schließt. Ein Frieden, der angesichts der nationalistischen Gesinnung des Sohnes nicht lange zu währen scheint. Maria Wojtyszko hat mit ihrem Werk, das unter der Regie von Christoph Prückner im Rahmen des "Polnischen Theaterjahrs" in Österreich uraufgeführt wurde, ein eigenwilliges Stück abgeliefert, das an den Verstand appelliert und damit wohl aktueller ist, denn je.




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