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Lear am Brett und trotzdem Shakespeare

Datum: 
Fr 10.02.2012
Uhrzeit: 
20 Uhr

Lear am Brett und trotzdem Shakespeare

Der König ist ohne Krone.  Lediglich Lear - ein elender Mann.  Im Elend erkennst du den Freund.  Aber Lear ist allein. Es begleitet ihn nur sein  beißendes  Gewissen - der Narr - und Cordelias Liebe, wegen der sie sterben musste. Lear ist nackt. Nackt wie ein Kind, das in der Stunde des Kindestodes geboren wurde.
Aus nichts kann nichts entspringen…hören wir in dem Augenblick noch König Lear unmittelbar nach dem Anfang des Stückes sagen. Und bald steht er vor nichts da, wegen nichts ist seine Welt zerstört. Man kann nichts aus nichts machen…sagt er etwas später seinem Narren. Aber durch dieses nichts verändert sich seine Optik, die Welt bekommt eine andere Dimension. Wahnsinn mischt sich mit transparenterer Aufnahme der Realität, sein bisheriges Leben bekommt andere Konturen.

ES SPIELT - LUDVÍK KAVÍN

REGIE - ANDREA BURŠOVÁ
DRAMATURGIE - NIKA BRETTSCHNEIDER,  
LICHT DESIGN - ANDREAS ZEMANN

 

Eine Rezension der österreichischen Schriftstellerin Ilse Tielsch:

Wie brandaktuell Sheakespeare heutzutage sein kann, erlebt man, wenn man in diesen Tagen im "Theater Brett" den Direktor dieses verdienstvollen Unternehmens als alt gewordenen König Lear erlebt. Nicht anders, als viele uralt Gewordene in unserer Zeit, erleidet er das bedauernswerte Los des Greises, der seinen Besitz in gutem Glauben an seine Kinder verschenkt hat und nun von diesen erfahren muß, daß ihm mit diesem Besitz auch sein Wert als Mitglied der Gesellschaft verloren gegangen ist. Er muß erfahren, daß nichts mehr gilt, wer nicht mehr zu verschenken hat, eine Erfahrung, die, wie uns Shakespeare hier lehrt, Menschen zu allen Zeiten gemacht haben und vermutlich auch in Zukunft immer wieder machen werden. Dies jedenfalls bildet die Essenz des von Nika Brettschneider geschickt auf eine tragische Handlungsminiatur zusammengeschnittenen Dramas. Ludvik Kavin ist ein erschütternder, naiv auf die Schmeicheleien zweier Töchter hereingefallener und die einzig ehrliche dritte Tochter zuletzt schmerzlich beweinender Exkönig, der jungen Sängerin aus Brünn,  Andrea Bursová., die mit ihrer wunderschönen Stimme und mit faszinierender Musikalität die Handlung begleitet und untermalt, (und die auch die Regie geführt hat) würde man sehr gerne noch viel länger zuhören. Wahrscheinlich hat der eine oder die andere der Zuschauer, während die Handlung vor ihm auf der Bühne ablief, darüber nachgedacht,  daß in der österreichischen Politik während der vergangenen Tage intensive Debatten über Erbschaft- und Schenkungssteuern und von der Versorgung der Alten die Rede gewesen ist!

Ilse Tielsch




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