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Nika Brettschneider und ihr Theater Brett

 
Rotensterngasse 2, 1020 Wien (Literaturbuffet)
Fischerstiege 1-7, 1010 Wien (Buchandlung Brigitte Salanda)
Margaretenstraße 76, 1050 Wien (Buchinsel)
Münzwardeingasse 2, 1060 Wien (Theater Brett)
....und im Tschechischen Zentrum in der Herrengasse im 1.Bezirk gibt es Wien betreffend dieses Buch zu kaufen....
Nika Brettschneider und ihr Theater Brett
Herausgegeben von Ludvík Kavín
 
Nika Brettschneider war eine Persönlichkeit mit vielen Gesichtern – Schauspielerin, sowohl auf deutsch wie auch auf tschechisch, Regisseurin, Theaterleiterin, Schauspieldozentin, Österreicherin tschechischer Herkunft, Unterzeichnerin der Charta 77 – aber etwas zieht sich wie ein roter Faden durch ihr Leben und durch alle Facetten ihres Wirkens: in künstlerischer, moralischer und auch politischer Hinsicht blieb sie sich und ihren Überzeugungen stets treu. Sie ging nie den leichtesten Weg, nur weil er der leichteste war. Und wenn die Situation es erforderte, sich mit den Machthabern anzulegen, dann tat sie, unbeirrt und ohne Angst vor den Konsequenzen, auch das. Wobei, Angst hatte sie wohl schon des öfteren – aber sie ließ sich dadurch in ihrem Handeln nicht beeinflussen. Dabei war sie privat und künstlerisch voll Wärme, Menschenliebe, Harmoniebedürfnis, Hingabe an die Kunst, und mit der Fähigkeit begabt, auch vermeintlich Gegensätzliches immer wieder in Übereinstimmung zu bringen.
Geboren wurde sie 1951 in Ostrau (Ostrava) als Zdeňka Brettschneiderová, begann schon in jungen Jahren, sich für Theater zu interessieren und Schauspielkurse zu besuchen, bis sie 1969 an der JAMU, der Janáček-Akademie für Musik und darstellende Künste in Brünn, als Schauspielstudentin aufgenommen wurde. Hier zeigte sich auch schon früh ihr Wille zum unbedingten Eintreten für das, was sie für sich als richtig erkannt hatte. So weigerte sie sich 1971 bei den ersten, angeblich freien Wahlen in der Tschechoslowakei nach der Niederschlagung des Prager Frühlings, die in Wirklichkeit nur der Selbstbestätigung des Regimes dienen sollten, konsequent, zur Wahlurne zu gehen, und zwar als einziger Mensch an der gesamten Akademie. Nur fast wie durch ein Wunder entging sie damals dem Rausschmiss von der Schauspielschule, und eventuell noch unangenehmeren Folgen. Das hinderte sie nicht darin, sich auch weiterhin politisch keinesfalls vereinnahmen zu lassen – bis hin zur Unterzeichnung der Charta 77, gemeinsam mit ihrem Ehemann Ludvík Kavín, woraufhin beide samt Kind die Tschechoslowakei verlassen mussten.
In Österreich wurde sie anfänglich mit offenen Armen empfangen, der Familie wurde auf unbürokratischem Wege die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen. Und schon kurz darauf setzten Brettschneider und Kavín in Wien ihre Theaterarbeit fort, erst als freie Theatergruppe, aufgrund der Sprachbarriere zunächst oft mit nonverbalen Stücken. 1984 wurde dann, mit viel Eigenarbeit und hohem finanziellem Risiko, eine verlassene Fabrikshalle in Wien-Mariahilf in ihr eigenes, persönliches Theater verwandelt - das „Theater Brett“. Über dreißig Jahre lang war Nika Brettschneider dann, gemeinsam mit ihrem Mann, Theaterdirektorin, sie inszenierte, spielte, kümmerte sich um alles, und fand nebenher noch Zeit, als Schauspiellehrerin zu arbeiten – an der JAMU in Brünn, wo sie selbst einmal ausgebildet worden war und nun ein eigenes Schauspielatelier leitete. 2007 wurde ihr der Professorentitel verliehen.
Am 30. Juni 2018 ist Nika Brettschneider 68jährig an den Folgen einer schweren Krankheit verstorben – nicht bevor sie die Studentinnen und Studenten ihrer neuen Schauspielklasse noch bis zum Abschluss des ersten Jahrganges begleitet hatte. Ihr zu Ehren hat ihr Theater- und Lebenspartner Ludvík Kavín nun das Buch „Nika Brettschneider und ihr Theater Brett“ im Verlag des Theater Brett herausgegeben. Der schmale Band liest sich teilweise spannend wie ein Krimi. Im Mittelpunkt steht das abenteuerliche Leben von Nika Brettschneider bis zur Ausreise aus der ČSSR, aber danach hören die Schwierigkeiten ja keineswegs auf – wenn die Widerstände in Österreich auch anderer Art sind, sind sie doch nicht weniger kraftraubend und teilweise existenzbedrohend. Mehr als einmal ist das kleine Theater von der Schließung bedroht, aber auch hier gilt wieder Nikas Maxime: nicht aufgeben, nicht nachgeben, immer weiter kämpfen um das, was einem wichtig ist.
Im Zentrum des Buches stehen Ausschnitte aus einer Dissertation über Nika Brettschneider und das Theater Brett von Andrea Buršová (hier erstmals auf deutsch zu lesen, in der Übersetzung von Monika Vaňová), darüber hinaus gibt es Würdigungen und Nachrufe von FreundInnen und WegbegleiterInnen (etwa von Friederike Mayröcker), eine große Anzahl seltener Fotos, und im Anhang eine komplette Auflistung sämtlicher Eigenproduktionen des Theater Brett vom Beginn bis heute, inklusive aller Mitwirkender.
„Die Nachwelt flicht dem Mimen keine Kränze“, heißt es zwar. Nika Brettschneider hätte sich trotzdem viele solcher Kränze verdient. Dieses Buch ist einer davon.

Christoph Prückner
 



theaterbrett.at (© 2010)